Soziale und politische Konsequenzen räumlicher Ungleichheiten
In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gibt es erhebliche und in vielen Fällen wachsende sozioökonomische Ungleichheiten zwischen den Regionen. Von Medien, Politiker:innen und auch von Forscher:innen werden regionale Ungleichheiten als Ursache für soziale und politische Polarisierung benannt. Damit einhergehende Empfindungen von Ungerechtigkeit und Marginalisierung können ein Risiko für den sozialen Zusammenhalt darstellen. So werden strukturschwache Regionen mit der wachsenden Unterstützung für populistische und systemfeindliche politische Parteien in Verbindung gebracht. Denn, so der Geograph Rodríguez-Pose, die Bevölkerung jener sogenannten „abgehängten“ ländlichen Regionen versuche über die Wahl populistischer Parteien „Vergeltung“ an den politischen Eliten in den Metropolen zu üben.
Bisher hat sich das Konzept der „abgehängten Regionen“ hauptsächlich auf die Situation in Westeuropa und den Vereinigten Staaten bezogen. Ziel dieses Projekts ist es, die sozialen und politischen Folgen der räumlichen Ungleichheiten in drei mitteleuropäischen Ländern - der Tschechischen Republik, Polen und den östlichen Bundesländern Deutschlands - zu untersuchen. Die sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen den Regionen sind hier von besonderer Natur. Ihre Entstehung und ihre Erscheinungsformen stehen im Zusammenhang mit der postsozialistischen Transformation, der teilweisen Entvölkerung ländlicher Räume und der Niedriglohnarbeit.
Das Projekt leistet in mehrfacher Hinsicht einen Beitrag zur Erforschung der sozialen und politischen Konsequenzen interregionaler sozioökonomischer Ungleichheiten: (1) Es wird untersucht, wie Ungleichheiten zwischen Regionen zu Ungleichheiten zwischen Individuen beitragen, wie sie sich in subjektiven Ungerechtigkeitswahrnehmungen niederschlagen und wie sie sich in politischen Einstellungen und Wahlverhalten manifestieren. (2) Internationale Vergleiche ermöglichen eine differenziertere Analyse. (3) Wir konzentrieren uns auf drei mitteleuropäische Länder, in denen regionale Ungleichheiten in den letzten Jahren teilweise zugenommen haben und in denen Populismus eine wichtige Rolle spielt. (4) Methodisch verfolgen wir einen multimethodischen Ansatz, der quantitative und qualitative Forschungsmethoden trianguliert, um sowohl die messbaren Auswirkungen räumlicher Ungleichheiten zu ermitteln als auch die Wahrnehmungen und Perspektiven von Menschen zu verstehen, die in tatsächlich oder vermeintlich „abgehängten Regionen“ leben.
Angesichts der Komplexität der untersuchten Forschungsfragen besteht unser interdisziplinäres Team aus Geograph:innen, Soziolog:innen und Ethnograph:innen aus allen drei zu untersuchenden Ländern.
Projektdauer: 2023 - 2025
Das Projekt wird von GA CR, DFG (Projektnummer 502306079) und NSN als Teil der europaweiten Weave-Initiative finanziert.